\documentclass{lxarticle} \usepackage{german} \usepackage[utf8]{inputenc} \usepackage{lxheaders} \usepackage{lxextras} \begin{document} \section*{Der Linux-Boot-Prozess} \subsection*{Aufgaben des Bootloaders} Hauptaufgabe des Bootloaders ist die rudimentäre Initialisierung der Hardware, so dass mindestens das RAM benutzt werden kann. Dazu ist auf den meisten Boards die Initialisierung eines (S)DRAM-Controllers erforderlich. Soll das Board aus einem NAND-Flash booten können, so muss auch dessen Controller initialisiert werden. Viele Prozessoren beinhalten PLLs, die aus dem Prozessortakt andere Clocks für verschiedene Peripherie-Einheiten generieren. Auch diese müssen initialisiert werden. Anschließend müssen die Peripherie-Einheiten initialisiert werden, die der Bootloader benötigt, um den Kernel laden zu können. Für TFTP-Boot wäre dies beispielsweise der Netzwerk-Chip. Meist ist es auch erwünscht, dass der Bootloader eine serielle Schnittstelle initialisiert. Dies ermöglicht nicht nur hilfreiche Meldungen aus dem Bootloader, es ermöglicht auch dem Kernel bereits im frühen Stadium des Bootvorgangs die Ausgabe von Meldungen (und nicht erst nach dem Laden seines UART-Treibers und der Konsole). Viele Bootloader bieten ausserdem eine Art Monitorprogramm, mit dem man mit Hilfe eines Terminalprogramms interaktiv Einstellungen ändern oder Speicher lesen und schreiben kann. Nach erfolgreicher Initialisierung lädt der Bootloader von der gewählten Quelle das komprimierte Kernel-Image ins RAM. Am Anfang eines komprimierten zImage steht (natürlich unkomprimiert) der Dekompressor-Code. Der Bootloader springt diese Adresse an und hat damit seine Arbeit beendet. Alles weitere läuft im Kernel ab. \subsection*{Gängige Bootloader} Die Wahl des Bootloaders ist weitgehend eine Geschmacksfrage. Die verbreiteten Bootloader U-Boot und Redboot bieten im Wesentlichen die gleiche Funktionalität. Die Bedienung unterscheidet sich zwar deutlich, aber der ohnehin nötige Einarbeitungsaufwand dürfte bei beiden etwa gleich sein. Auch beim Kompilieren dieser Bootloader sind die Unterschiede nicht gross. Beide zeichnen sich durch schwer durchschaubaren Sourcecode und ein eigenwilliges Buildsystem aus. Es gibt aber auch die Möglichkeit, ganz auf einen derartigen Bootloader zu verzichten. Statt dessen verwendet man einen minimalen \emph{Initial Program Loader (IPL)}, der lediglich die rudimentären Initialisierungsaufgaben erfüllt und danach einen minimalen Bootkernel lädt und ausführt. Dieser lädt wiederum den eigentlichen Produktiv-Kernel nach. Vorteile der letztgenannten Vorgehensweise sind hohe Flexibilität und die Tatsache, dass man im Bootkernel schon nach wenigen hundert Millisekunden jeden gewünschten Treiber zur Verfügung hat. Dadurch können in elegante Weise Anforderungen wie das Anzeigen eines Bildes auf einem TFT (500 Millisekunden nach dem Einschalten) gelöst werden. Wollte man dies mit einem der oben erwähnten Bootloader erreichen, müsste man zunächst die für das TFT benötigten Treiber vom Kernel in den Bootloader portieren und dort zum Laufen bringen. Ähnliches gilt für andere gängige Forderungen, wie das Booten von einem USB-Stick. Es erscheint als überflüssige Mühe, einen im Kernel bereits funktionierenden Treiber in den Bootloader portieren zu müssen. Mit IPL und Bootkernel sind ausserdem komplexe Aufgaben während des Bootvorgangs, beispielsweise automatisierte und sichere Firmware-Updates leicht realisierbar. \subsection*{Bootprobleme: Im Bootloader} Während der Entwicklungsphase sind Probleme im Bootloader besonders unangenehm. Falls dieser bereits abstürzt, ehe er die serielle Schnittstelle initialisieren konnte, so sieht man schlichtweg gar nichts. Aber auch bei späteren Fehlern ist der Entwicklungszyklus mühsam, da man den Bootloader meist erst mit einem JTAG-Adapter oder ähnlichen Werkzeugen ins Flash des Boards befördern muss, bevor man den nächsten Versuch machen kann. Bei Änderungen am Bootloader-Code ist daher große Sorgfalt geboten. Wenn möglich, sollte man zu zweit an solchem Code arbeiten und sich ständig gegenseitig kontrollieren. Häufige Problemquellen im Bootloader sind beispielsweise: \begin{itemize} \item Der Bootloader wurde nicht korrekt ins Flash geschrieben. In einem Fall passierte dies beispielsweise, wenn der Compiler ein Binary mit ungerader Länge erzeugte. Aber auch falsche Konfiguration des JTAGer kann zu solchen Problemen führen. \item Im Bootloader wurden die Timings für Bus-Schnittstellen wie RAM oder Flash nicht korrekt eingestellt. Gerade wenn die Timings nicht ganz falsch, sondern nur grenzwertig sind, kann es zu schwer reproduzierbaren Bootproblemen kommen. \item Die Ladeadresse für den Kernel ist nicht korrekt. Bei manchen Bootloadern kann es leicht zu Verwechslungen zwischen physikalischen und virtuellen Adressen kommen. Weder U-Boot noch Redboot melden einen Fehler, wenn man den Kernel an eine Adresse lädt, an der sich überhaupt kein RAM befindet... \item Beim Laden des Kernels per TFTP kann es zusätzlich weitere Probleme geben, die mit dem Netzwerk zusammenhängen. Diese reichen von falsch aufgesetzten TFTP-Servern über falsch konfigurierte DHCP-Server oder falschen IP-Adressen bis hin zu Treiber- oder Hardware-Problemen. \end{itemize} \subsection*{Bootprobleme: Im Kernel} Bootprobleme im Kernel sind vergleichsweise einfach zu finden, sobald man eine Konsole auf der seriellen Schnittstelle hat. Der Kernel gibt meist recht aussagekräftige Fehlermeldungen und bietet viele zusätzliche Debug-Funktionen, die man in der Kernel-Konfiguration aktivieren kann. Falls sich der Kernel bereits früher aufhängt, so dass man nach der Meldung \cmd{Uncompressing Linux.....} überhaupt nichts mehr sieht, dann wird es schwieriger. Man sollte zunächst überprüfen, ob die im Bootloader vorgegebene Commandline für den Kernel korrekt ist, insbesondere die Einstellung der für die Konsole verwendeten seriellen Schnittstelle (\cmd{console=tty...}). Ein weiteres gängiges Problem ist, dass der Kernel am Ende des Bootvorgangs kein Root-Filesystem mounten kann. Dies kann daran liegen, dass man bei der Kernelkonfiguration vergessen hat, dass \emph{alle} für das Rootfs nötigen Hardware- und Dateisystem-Treiber in den Kernel einkompiliert sein müssen und nicht etwa als Module gebaut wurden. Bei Medien, die erst detektiert werden müssen (z.B. SD-Karten) kann es passieren, dass das Medium noch nicht bereit ist, wenn der Kernel es mounten will. In diesem Fall hilft der Parameter \cmd{rootwait}. Falls der Kernel zwar das Rootfs mounten kann, aber danach mit einer Fehlermeldung hängen bleibt, anstatt \cmd{/sbin/init} zu starten, dann liegt dies oft an fehlenden Device-Nodes im Verzeichnis \cmd{/dev}. Überprüfen Sie dies. \subsection*{Bootprobleme: In den Startskripten} Wenn der Kernel erfolgreich das Rootfs mounten und \cmd{/sbin/init} starten konnte, wird letzteres versuchen, die in \cmd{/etc/inittab} angegebenen Anweisungen auszuführen. Dies ist normalerweise zunächst der Aufruf eines Startskripts, das in der Regel weitere Skripte und Programme aufruft. Je nach Art der aufgerufenen Programme kann es hier zu weiteren Problemen kommen. Dazu gehören etwa fehlerhafte Konfigurationsdateien, fehlende Device-Nodes oder Ähnliches. Ausserdem kommt es bei Startskripten vor, dass diese nicht auf jede Situation sauber und fehlertolerant reagieren. Man sollte vermeiden, dass sich das Skript zur Konfiguration des Netzwerks aufhängt, wenn kein DHCP-Server gefunden wurde oder kein Netzwerkkabel eingesteckt ist. Des weiteren sollte das Skript selber erkennen, wenn über die Netzwerkschnittstelle das Rootfs per NFS gemountet wurde, und dann eine Neukonfiguration tunlichst unterlassen. \end{document}