\input{confighandout} \subsection{Was ist Linux?} \subsubsection{Geschichtlicher Hintergrund} Frühe elektronische Rechner, wie der in Abbildung \ref{img:eniac} gezeigte ENIAC, waren nicht frei programmierbar. Sie wurden für einen bestimmten Zweck gebaut, der ENIAC beispielsweise zur Berechnung von ballistischen Flugbahnen. \begin{figure}[h] \centering \includegraphics[width=0.5\textwidth]{images/785px-Eniac.jpg} \caption{ENIAC (1947)} \label{img:eniac} \end{figure} Im Laufe der 50-er und 60-er Jahre entwickelten sich die Rechner schnell weiter, was vor allem durch die Erfindung des Transistors beschleunigt wurde. Mit der freien Programmierbarkeit kam gleichzeitig die Nachfrage nach einem Betriebssystem. Zum einen stellte man schnell fest, das bestimmte Operationen, etwa Ein- und Ausgabe-Funktionen, von nahezu jedem Programm immer wieder benötigt wurden. Zum anderen hatte man bald den Wunsch nach größerer Hardware-Unabhängigkeit, damit ein einmal geschriebenes Programm ohne große Änderungen auf verschiedenen Rechnern laufen konnte. Die ersten Ansätze für ein universelles Betriebssystem blieben mehr oder weniger erfolglos. Die Entwickler verzettelten sich mit immer neuen Anforderungen und wenig durchdachten Konzepten. Die Systeme wurden unüberschaubar und für viele der damaligen Rechner zu gross. Erst das ab 1969 von Ken Thompson und Dennis Ritchie (Abbildung \ref{img:ken_ritchie}) entwickelte \emph{Unix} konnte sich auf breiter Ebene durchsetzen und zu einem Standard entwickeln. \begin{figure}[h] \centering \includegraphics[width=0.5\textwidth]{images/Thompson-sitting-Richie-standing-PDP11-1972.jpg} \caption{Ken Thompson (sitzend) und Dennis Ritchie an einer PDP11 (1972)} \label{img:ken_ritchie} \end{figure} In der zweiten Hälfte der 70-er Jahre veränderte sich der Computer-Markt radikal. Die Erfindung der integrierten Schaltung ermöglichte es, kleine und auch für Normalbürger erschwingliche Computer zu bauen. Dadurch entwickelte sich der bisher auf Hochschulen, Behörden und Großbetriebe beschränkte Markt zum Massenmarkt. \begin{figure}[h] \centering \includegraphics[width=0.3\textwidth]{images/Apple2.jpg} \caption{Apple 2 (1977)} \label{img:apple2} \end{figure} Als etwas ausgereiftere Homecomputer wie der Apple 2 (Abbildung \ref{img:apple2}) zunehmend auch in Betrieben als Ergänzung zu den vorhandenen Großrechnern, beispielsweise als `intelligente' Terminals, eingesetzt wurden, beschloss IBM, Marktführer bei Großrechnern, dem etwas entgegen zu setzen. Man entwickelte den IBM-PC, der 1981 erschien. Durch die sehr knappen Zeitvorgaben war es den Entwicklern nur möglich, bereits am Markt befindliche Standard-Chips einzusetzen. Dadurch gelang es Firmen wie Compaq in kurzer Zeit, selbst ``IBM-kompatible'' Rechner auf den Markt zu werfen. Auch auf Unix hatte diese Entwicklung Einfluss. Bis dahin war Unix im universitären Umfeld entwickelt worden. Die Rechte am Code besaß zwar AT+T, er wurde aber ohne weiteres kostenlos an Dritte weitergegeben, vor allem zu Ausbildungszwecken. Es gab ja fast niemanden, der einen Unix-fähigen Computer besaß. Mit dem beginnenden Massenmarkt sah AT+T die Chance, mit Lizenzen Geld zu verdienen, und machte Unix zu Closed Source. Auch zu Ausbildungszwecken war der Code nicht mehr verfügbar. Durch diese Lizenzänderung war es vielen Unix-Programmierern nicht mehr gestattet, ihre eigenen Programme zu nutzen. Einer von ihnen, Richard Stallman, gründete daraufhin 1984 die \emph{Free Software Foundation} und begann, ein eigenes Unix namens \emph{GNU} völlig neu zu schreiben. Um die eben gemachten Erfahrungen reicher, entwickelte er für den Code eine eigene Lizenz, die \emph{GNU Public License (GPL)}. Sie stellt sicher, dass bei Weitergabe eines Programms der Empfänger immer auch ein Recht auf den Sourcecode hat. Dem GNU-Projekt schlossen sich schnell weitere Programmierer an, und es gelang ihnen in relativ kurzer Zeit, die Grundlagen eines Unix-Systems zu erstellen. Dazu gehörten neben den vielen kleinen Unix-Systemprogrammen vor allem auch der Compiler gcc und der Editor Emacs. Beim Kernel war man weniger glücklich: Man entschied sich für ein zwar theoretisch interessantes, aber in der Praxis schlecht handhabbares Microkernel-Konzept. Dieser Kernel (\emph{GNU Hurd}) ist bis heute nicht produktiv einsetzbar... 1991 hatte der finnische Student Linus Torvalds einen Terminal-Emulator geschrieben, mit dem er von daheim per Modem auf den Unix-Rechner der Universität zugreifen konnte. Als er immer mehr Funktionen hinzufügte, etwa einen Treiber zum Direktzugriff auf seine Harddisk, bemerkte er, dass er eigentlich auch gleich einen Betriebssystem-Kernel schreiben konnte. Er beschaffte sich die POSIX-Spezifikation, in der die Schnittstellen eines Unix-Kernels beschrieben sind, und implementierte eine Funktion nach der anderen. Nachdem dieser Kernel unter dem Namen \emph{Linux} veröffentlicht war, schlossen sich ebenfalls schnell hunderte von Programmierern an und arbeiteten an der Weiterentwicklung mit. Durch Kombination des GNU-Betriebssystems mit dem Linux-Kernel entstand so ein vollständig aus freier Software bestehendes System. Der Begriff ``Linux'' bezeichnet also streng genommen nur den Kernel. Allerdings hat es sich mittlerweile im Sprachgebrauch eingebürgert, das komplette System aus Programmen und Kernel als ``Linux'' zu bezeichnen. \subsubsection{Ein Betriebssystem für Großrechner} Unix war von Anfang an ein Betriebssystem, das für den Betrieb auf Großrechnern ausgelegt ist. Das verwundert nicht weiter, den zur Zeit seiner Entstehung gab es noch keine Einzelplatzrechner im Sinne des heutigen PC. Die mit dieser Anwendung verbundenen Design-Entscheidungen sind auch heute noch wirksam und bestimmen maßgeblich das Verhalten von Linux-Systemen. Durch die freie Verfügbarkeit von Linux gab und gibt es ausserdem zahlreiche Anwender mit ganz unterschiedlichen Anforderungen. Von Cluster-basierten Datenbankservern bis zu kleinen batteriebetriebenen PDAs ist alles vertreten. Des weiteren werden sehr viele verschiedene Prozessor-Familien unterstützt. Dadurch war der Kernel schon sehr früh 64-Bit- und Endian-fest. Diesem historischen Hintergrund ist es zu verdanken, dass der Linux-Kernel heute sehr gut mit verschiedensten Hardware-Eigenschaften skaliert. Aus dem selben Source-Code kann ein Kernel für einen Server mit 1024 CPU-Kernen oder ein Kernel für ein kleines Embedded-System konfiguriert und erzeugt werden. \subsubsection{Multiuser-Betrieb} Eine weitere wichtige Eigenschaft von Linux, die sich aus der Großrechner-Tradition ergibt, ist die Multitasking- und Multiuser-Fähigkeit. Während Multitasking, also das quasi-gleichzeitige Ausführen mehrerer Programme, heute jedem Computer-Anwender als Selbstverständlichkeit gilt, verdient der Multiuser-Betrieb nähere Betrachtung. Multiuser-Betrieb bedeutet, dass mehrere Anwender \emph{gleichzeitig} mit dem System arbeiten können. Jeder Anwender hat dabei den Eindruck, dass ihm das System allein gehört. Das Betriebssystem muss dazu Funktionalität bereitstellen, um die Datensicherheit zu gewährleisten und die gerechte Verteilung der Ressourcen unter den Benutzern sicherzustellen. Dazu gehört unter anderem, dass alle Dateien und Verzeichnisse mit Benutzerkennungen versehen werden, die jedem Benutzer sinnvolles Arbeiten ermöglichen, aber gleichzeitig seinen Zugriff auf fremde Daten einschränken. Diese Einschränkungen müssen im Kernel realisiert werden, damit sie nicht auf Anwenderebene umgangen werden können. In Unix war diese Funktionalität per Design schon immer vorhanden, während aus der Tradition der Einzelplatz-Rechner entstandene Betriebssysteme wie DOS oder Windows dies bis heute nicht leisten. Natürlich ist die freie Lizenz von Linux hier ebenfalls von Vorteil. Proprietäre Betriebssysteme haben schon aus Lizenzgründen ein Problem damit, wenn mehrere Anwender einen Rechner nutzen können. \subsubsection{Login} Beim Hochfahren eines Linux-Systems werden üblicherweise alle für den Systemstart vorgesehenen Programme automatisch gestartet, ohne dass dazu ein Benutzereingriff nötig wäre. Durch Anpassung der dafür verantwortlichen Startskripte kann man so auch seine eigenen Applikationen starten. An dieser Stelle hat man root-Rechte, also vollen Zugriff auf alle Ressourcen. Möchte nach dem Hochfahren ein Benutzer mit dem System arbeiten, so muss er dem System mitteilen, wer er ist, und dies gegebenenfalls durch einen Authentifizierungsprozess glaubhaft machen. Diesen Vorgang nennt man ``Login''. \begin{figure}[h] \centering \includegraphics[width=0.3\textwidth]{images/CPU_und_Terminals1-600px.png} \caption{Schematische Darstellung eines Großrechners} \label{img:mainframe} \end{figure} Abbildung \ref{img:mainframe} zeigt die Situation in schematischer Weise. Am Großrechner sind mehrere Terminals angeschlossen. Früher waren dies Fernschreiber, daher die Bezeichnung tty (von engl. teletype). Auf Abbildung \ref{img:ken_ritchie} kann man dies sehen -- da gab es noch keine Monitore. Unter Linux sind dies sogenannte \emph{virtuelle Terminals}. Selbst auf einem Laptop, der an nichts anderes angeschlossen ist, hat man mehrere solcher virtueller Terminals zur Verfügung. Eines davon wird meist von der grafischen Oberfläche benutzt. Zusätzlich gibt es weitere physikalische Terminals, so haben beispielsweise serielle Schnittstellen Bezeichnungen wie ttyS0, ttyS1 und so weiter. Jedes dieser Terminals ist völlig autark, das heisst, man muss sich in jedem Terminal erneut einloggen und authentifizieren. Logins sind unter Linux auf mehreren Wegen möglich. Ausser dem von Desktops her gewohnten Login am Bildschirm kann man sich auch mit Hilfe eines Terminal-Programms über eine serielle Schnittstelle einloggen. Weit verbreitet sind auch Logins über Netzwerkprotokolle wie ssh oder telnet. Da diese Login-Möglichkeiten unter Windows nicht üblich sind, kommt es hier häufig zu Verständnisschwierigkeiten. Als Übung sollten Sie sich per ssh auf einem entfernten Rechner einloggen und dann ein Programm starten. Machen Sie sich klar, dass das Programm auf dem entfernten Rechner ausgeführt wird und nicht etwa auf dem Rechner, an dem Sie gerade sitzen. \newpage \subsubsection{Kontrollfragen} \begin{enumerate} \item Wie alt ist das Unix-Konzept mittlerweile? \item Seit wann gibt es den Linux-Kernel? \item Warum ist die Großrechner-Tradition von Linux auch für Embedded Systems von Vorteil? \item Was passiert beim Login-Vorgang? \end{enumerate} \input{tailhandout}